Seite zuletzt aktualisiert: 11.12.2024
Was sind komplexe Zahlen?
Im Bereich der ganzen Zahlen (... -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ...) führen Additionen, Subtraktionen und Multiplikationen immer wieder zu einer ganzen Zahl. Nur bei der Division stellt man fest, dass manche Divisionen innerhalb der ganzen Zahlen eine Lösung haben wie z. B. \( 12 : 3 = 4 \) , andere Divisionen wie z. B. \( 12 : 5 \) jedoch nicht. Damit jede Division ganzer Zahlen eine Lösung besitzt, hat man die Bruchzahlen erfunden. Damit ist nun \( 12 : 5 = \frac{12}{5} \) .
Man hat sozusagen den Zahlenbereich erweitert. Die ursprüngliche Zahlenmenge, die Menge der ganzen Zahlen, ist jetzt ein Teil der neuen Zahlenmenge, der Menge der Bruchzahlen. Die ganzen Zahlen sind nun spezielle Bruchzahlen, nämlich die Bruchzahlen mit dem Nenner 1.
So wie die Division in der Menge der ganzen Zahlen Probleme macht, so macht das Wurzelziehen Probleme in der Menge der reellen Zahlen. Aus einer positiven Zahl lassen sich Wurzeln ziehen, bei Wurzeln aus negativen Zahlen scheitert man.
Will man uneingeschränkt Wurzeln ziehen, muss man neue Zahlen erfinden und zu den reellen Zahlen hinzufügen. Diese neuen Zahlen hat man "komplexe Zahlen" genannt.
In der Schule bekommt man erzählt, dass \( \sqrt{-1} = i \) gesetzt wird. Das \( i \) steht für "imaginär". Dies ist jedoch mathematisch nicht korrekt und kann zu schwer auffindbaren Rechenfehlern führen. Wurzelausdrücke im Komplexen sind immer mit großer Vorsicht zu genießen - siehe ▸Komplexe Zahlen, Teil 3. Sie sind im Gegensatz zu den reellen Zahlen nicht mehr eindeutig. So kann \( \sqrt{-1} \) sowohl gleich \( i \) sein als auch gleich \( -i \) .
Würde man naiverweise immer von \( \sqrt{-1} = i \) ausgehen, könnte man zum Beispiel die folgende Termumformung produzieren:
\( \color{#fd5110}{1 = \sqrt{1} = \sqrt{(-1) \cdot (-1)} = \sqrt{-1} \cdot \sqrt{-1} = i \cdot i = -1} \) Widerspruch!
Axiomatische Festlegung der komplexen Zahlen:
Die axiomatische Festlegung der komplexen Zahlen läuft anders.
Bei der Definition komplexer Zahlen wird jede Zahl als Zahlenpaar \( (a \space | \space b) \) festgelegt.
\( a \) heißt Realteil und \( b \) Imaginärteil.
Für die Zahlenpaare wird folgende Multiplikation definiert:
\( (a \space | \space b) \cdot (c \space | \space d) = (ac - bd \space | \space ad + bc) \)
An Stelle der Zahlenpaar-Schreibweise wird die Schreibweise \( a + i \cdot b \) eingeführt.
Daraus ergibt sich dann automatisch, dass das Zahlenpaar \( (0 \space | \space 1) \) , welches die komplexe Zahl \( 0 + i \cdot 1 = i \) repräsentiert, quadriert \( -1 \) ergibt. Das \( i \) kann wie ein Faktor behandelt werden - mit der Besonderheit, dass sein Quadrat gleich \( -1 \) ist.
Es gilt also: \( i^2 = -1 \) .
Die reellen Zahlen sind dann spezielle komplexe Zahlen, nämlich diejenigen mit dem Imaginärteil null.
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Geometrische Darstellung komplexer Zahlen
Bei der geometrischen Darstellung einer komplexen Zahl in einem zweidimensionalen Koordinatensystem wird der Realteil auf der x-Achse und der Imaginärteil auf der y-Achse abgetragen.
Man spricht hier von der Gaußschen Zahlenebene oder auch von der komplexen Zahlenebene.
In unserem Beispiel wäre der Punkt \( (5 \space | \space 2) \) dann eine grafische Darstellung der komplexen Zahl \( 5 + i \cdot 2 \) .
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Betrag einer komplexen Zahl
Die komplexe Zahl \( 5 + i \cdot 2 \) kann sowohl durch den Punkt \( (5 \space | \space 2) \) als auch durch den zugehörigen Ortsvektor \( \begin{pmatrix} 5 \\ 2 \end{pmatrix} \) repräsentiert werden.
Definition:
Der Betrag einer komplexen Zahl ist die Länge des zugehörigen Ortsvektors.
Für den Betrag von \( 5 + i \cdot 2 \) gilt somit:
\( |\,5 + i \cdot 2\,| = \sqrt{5^2 + 2^2} = \sqrt{29} \) .
Allgemein: \( |\,x + i \cdot y\,| = \sqrt{x^2 + y^2} \) .
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Grundrechenarten
Addition, Subtraktion und Multiplikation sind mit den gewohnten Rechengesetzen der reellen Zahlen leicht zu bewerkstelligen, indem man die imaginäre Einheit \( i \) wie eine Variable behandelt.
Addition:
\( (5 + i \cdot 2) + (7 - i \cdot 3) = 12 - i \cdot 1 \)
Subtraktion:
\( (5 + i \cdot 2) - (7 - i \cdot 3) = -2 + i \cdot 5 \)
Multiplikation:
Bei der Multiplikation beachtet man, dass \( i \cdot i = -1 \) ist:
\(
(5 + i \cdot 2) \cdot (7 - i \cdot 3) \\
= 5 \cdot 7 - i \cdot 5 \cdot 3 + i \cdot 2 \cdot 7 - i \cdot 2 \cdot i \cdot 3 \\
= 35 - i \cdot 15 + i \cdot 14 + 6 \\
= 41 - i \cdot 1
\)
Division:
Bei der Division beseitigt man das \( i \) im Nenner mit Hilfe der 3. binomischen Formel. Man erweitert mit \( \color{red}{(7 + i \cdot 3)} \) . Diese Zahl erhält man, indem man im Nenner das Vorzeichen des Imaginärteils ändert. Aus \( (7 - i \cdot 3) \) wird \( (7 + i \cdot 3) \) .
Man bildet die sog. konjugiert komplexe Zahl des Nenners (siehe unten: "Konjugiert komplexe Zahlen").
\( (5 + i \cdot 2) : (7 - i \cdot 3) \\ = \frac{5 + i \cdot 2}{7 - i \cdot 3} \\ = \frac{(5 + i \cdot 2) \cdot \color{red}{(7 + i \cdot 3)}}{(7 - i \cdot 3) \cdot \color{red}{(7 + i \cdot 3)}} \\ = \frac{35 + i \cdot 15 + i \cdot 14 - 6}{49 - i \cdot i \cdot 9} \\ = \frac{29 + i \cdot 29}{58} \\ = \frac{29}{58} + i \cdot \frac{29}{58} \)
Kompliziertere Rechenoperationen wie n-te Wurzeln ziehen, Potenzieren mit irrationalen Exponenten, Logarithmieren und viele andere lassen sich nur einfach lösen, wenn man die komplexe Zahl vorher in ihre sog. Polarform verwandelt. Dies wird im ▸Teil 2 ausführlich erklärt.
Konjugiert komplexe Zahlen
Ändert man bei einer komplexen Zahl \( z = a + i\,b \) das Vorzeichen des Imaginärteils, so erhält man die sog. konjugiert komplexe Zahl \( \bar{z} = a - i\,b \) .
In der Gaußschen Zahlenebene entspricht dies einer Spiegelung an der x-Achse.
Multipliziert man eine komplexe Zahl \( z \) mit der zugehörigen konjugiert komplexen Zahl \( \bar{z} \) , so erhält man als Ergebnis immer eine reelle Zahl, nämlich das Quadrat des Betrages:
\( z \cdot \bar{z} = (a + i\,b) \cdot (a - i\,b) = a^2 + b^2 = |z|^2 \)
\( z \) und \( \bar{z} \) haben denselben Betrag: \( |z| = |\bar{z}| \) .