Webseite zuletzt aktualisiert: 30.03.2023
Diese Herleitung der Formeln für den dezentralen elastischen Stoß unterschiedlicher Massen kann auch als PDF heruntergeladen werden.
Herleitung der Formeln des elastischen Stoßes zweier Kugeln
Eine Umsetzung der hergeleiteten Formeln in Javascript mit Tutorial gibt es hier:
Elastischer Stoß mit Javascript plus Tutorial
Betrachtet wird der elastische Stoß zweier Kugeln mit unterschiedlichen Massen in der Ebene, also zweidimensional. In einem ersten Schritt wird der Spezialfall des zentralen Stoßes behandelt. Die dabei gewonnenen Ergebnisse fließen in den zweiten Schritt, die Behandlung des dezentralen Stoßes, ein.
Zwei Kugeln mit den Massen m1 und m2 stoßen mit den Geschwindigkeiten 𝑣1 und 𝑣2 zusammen. Ihre Mittelpunkte bewegen sich auf einer gemeinsamen waagerechten Linie. Ein negatives Vorzeichen von 𝑣1 bzw. 𝑣2 bedeutet, dass sich die Kugel nach links bewegt.
Impulserhaltungssatz und Energieerhaltungssatz liefern die beiden Gleichungen:
Die erste Gleichung wird umgeformt zu
und die zweite Gleichung zu
Substitution des Terms 𝑚2(𝑢2 − 𝑣2) vereinfacht die letzte Gleichung zu 𝑣1 + 𝑢1 = 𝑢2 + 𝑣2.
Für die Geschwindigkeiten nach dem Stoß erhält man schließlich:
(1)
(2)
Beim dezentralen Stoß werden an Stelle von 𝑣1 und 𝑣2 die Vektoren
betrachtet. Die x- bzw. y-Komponenten dieser Vektoren werden im Folgenden mit 𝑣1x, 𝑣1y, 𝑣2x und 𝑣2y bezeichnet.
Stoßen zwei Kugeln dezentral aneinander, so gibt es eine Tangentialebene durch den Berührungspunkt (im Zweidimensionalen eine Gerade) und eine Normale senkrecht zur Tangentialebene, die durch beide Kugelmittelpunkte verläuft.
Die entscheidende physikalische Tatsache ist nun, dass ein Energieaustausch der beiden Kugeln nur in Richtung der Normale erfolgt.
Das heißt, die Tangentialkomponenten 𝑣1t und 𝑣2t bleiben unverändert, die Normalkomponenten 𝑣1n und 𝑣2n dagegen verändern sich gemäß den Gesetzen des zentralen Stoßes – siehe Kap. 1.
Im Folgenden wird eine Berechnung gewählt, die auf Vektoren, Skalarprodukt und Koordinatentransformationen verzichtet.
Damit es für möglichst viele nachvollziehbar ist, wird nur elementare Trigonometrie verwendet.
Als erstes wird der Winkel φ bestimmt, den die Normale mit der x-Achse bildet:
(3)
Dieser Winkel wird im Weiteren als bekannt angesehen. Er wird in allen vier Lösungsformeln mehrfach enthalten sein (siehe unten).
Das Ziel:
Wir suchen Formeln zur Berechnung der x- und y-Komponenten der neuen Geschwindigkeiten, also
Gegebene Größen:
Bekannt sind die Geschwindigkeitskomponenten vor dem Stoß 𝑣1x , 𝑣1y , 𝑣2x und 𝑣2y sowie der Winkel φ.
Die folgende Abbildung zeigt am Beispiel der 1. Kugel (mit der Masse m1), wie die Tangential- und Normalkomponenten 𝑣1t und 𝑣1n weiter in ihre x- und y-Komponenten 𝑣1tx , 𝑣1ty , 𝑣1nx und 𝑣1ny zerlegt werden. Für die 2. Kugel gelten dieselben Ergebnisse - nur jeweils mit dem Index 2.
Aus der obigen Abbildung entnimmt man:
(8)
(9)
Als nächstes werden die Tangential- und die Normalkomponente in ihre x- und y-Komponenten zerlegt.
Tangentialkomponente:
Anwendung des Additionstheorems der Trigonometrie ergibt:
Mit den Gleichungen (8) und (9) folgt daraus:
(10)
Normalkomponente:
Anwendung des Additionstheorems der Trigonometrie ergibt:
Mit den Gleichungen (8) und (9) folgt daraus:
(11)
x-Komponente der Tangentialkomponente:
Substitution mit Hilfe von Gleichung (10) ergibt:
(12)
y-Komponente der Tangentialkomponente:
Das Minuszeichen der letzten Formel erzeugt bei manchem ein Fragezeichen. Man sieht in der obigen Zeichnung, dass für Winkel φ<π/2 die y-Komponente 𝑣1ty negativ sein muss. Eigentlich muss man hier mit Hilfe einer Fallunterscheidung nachweisen, dass sich für jeden Winkel φ das richtige Vorzeichen ergibt.
Substitution mit Hilfe von Gleichung (10) ergibt:
(13)
x-Komponente der Normalkomponente:
Substitution mit Hilfe von Gleichung (11) ergibt:
(14)
y-Komponente der Normalkomponente:
Substitution mit Hilfe von Gleichung (11) ergibt:
(15)
In den Gleichungen (4), (5), (6) und (7) des Lösungsansatzes besteht die rechte Seite immer aus zwei Summanden.
Der erste stellt jeweils die unveränderte Tangentialkomponente dar und ist in Kap. 2.2 berechnet worden – siehe Gleichungen (12) – (15).
Der zweite stellt jeweils die neu zu berechnende Normalkomponente dar. Das Ergebnis für den zweiten Summanden erhält man, indem man die Gesetze des zentralen Stoßes, also die Gleichungen (1) und (2), auf die Normalkomponenten anwendet:
Substitution von 𝑣1nx und 𝑣2nx mit Hilfe von Gleichung (14) und vereinfachen führt zu:
(16)
Substitution von 𝑣1ny und 𝑣2ny mit Hilfe von Gleichung (15) und vereinfachen führt zu:
(17)
Die Ergebnisse für 𝑣2nx,neu und 𝑣2ny,neu erhält man, indem man in den Gleichungen (16) und (17) konsequent alle Indizes verändert – aus Index 1 wird Index 2 und umgekehrt:
(18)
(19)
In die Gleichungen (4) – (7) können nun die berechneten Terme eingesetzt werden. In die Gleichung (4) werden beispielsweise die Terme aus den Gleichungen (12) und (16) eingesetzt.
Es ergeben sich die folgenden Lösungsformeln:
Die Herleitung dieser Formeln ist in der Absicht entstanden, sie in einer (zweidimensionalen) Javascript-Simulation mit mehreren Kugeln anzuwenden: https://hermann-baum.de/bouncing-balls.
Wer nur einen einzelnen elastischen Stoß betrachtet, hat natürlich die Möglichkeit, die beiden Kugelmittelpunkte auf die x-Achse zu legen, so dass der Winkel φ = 0 wird.
Dann bleiben die Geschwindigkeitskomponenten in y-Richtung unverändert, und die Lösungsformeln (im gelben Rahmen weiter oben) vereinfachen sich zu:
Die Formeln für die x-Komponenten sind identisch mit den Formeln (1) und (2) des zentralen elastischen Stoßes – siehe Kap. 1.
Für eine alternative Herleitung der Formeln im Fall φ > 0 kann man die gegebenen Geschwindigkeitskomponenten 𝑣1x, 𝑣1y, 𝑣2x und 𝑣2y auch mit Hilfe einer Koordinatentransformation in ein um den Winkel φ gedrehtes Koordinatensystem transformieren, in dem gedrehten Koordinatensystem dann die vereinfachten Formeln (20) bis (23) anwenden und die Ergebnisse wieder zurücktransformieren ins ursprüngliche Koordinatensystem.
Für die Transformation ins gedrehte Koordinatensystem verwendet man die Gleichungen:
Für die Rücktransformation gelten die Gleichungen:
Man erhält dieselben Lösungsformeln. Der Rechenaufwand ist ungefähr gleich groß.